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Vom Mythos zur Realität: Autonome Lkw könnten bis 2030 über europäische Autobahnen rollen.(1) Einem ITF-Bericht(2) zufolge würde der Einsatz dieser Lkw den Transportunternehmen helfen, Kosten einzusparen, ihren CO2-Fußabdruck zu reduzieren, die Sicherheit zu verbessern, die Effizienz zu steigern und dem Fahrermangel entgegenzuwirken. Doch um welchen Preis?
Wir haben zwei Experten zu diesem kontroversen Thema befragt. Sind sie für oder gegen autonome Lkw? Hier sind ihre Antworten.
amelineau combes
Olivier Amélineau, Press and Media Relations Manager, Mercedes-Benz Trucks France (Daimler Truck-Gruppe); François Combes, Forscher und Ökonom für Transport- und Logistik an der Université Gustave Eiffel.
Es gibt fünf Stufen des Autonomen Fahrens: Stufe 1 entspricht dem Fahren mit automatisierten Assistenzsystemen, Stufe 5 einem vollautomatisierten Fahrzeug.
Welche Autonomiestufe ist Ihrer Meinung nach am besten für einen fahrerlosen Lkw?
Olivier Amélineau (OA): Bei Daimler Truck glauben wir fest an Lkw der Stufe 4 (hohe Automatisierung) und arbeiten derzeit daran.
Wir haben bereits teilautonome Systeme der Stufe 2 (teilweise Automatisierung). Das bedeutet, dass der Fahrer das Lenkrad für 30 Sekunden loslassen kann und das Fahrzeug trotzdem weiterfährt. Man muss nur regelmäßig auf das Lenkrad drücken, um dem System seine Präsenz anzuzeigen! Wir haben uns entschieden, direkt von Stufe 2 zur Stufe 4 überzugehen. Stufe 3, mit bedingter Automatisierung, erscheint uns für Lkw nicht als sinnvoll.
Um die Entwicklung und Vermarktung von autonomen Lkw der Stufe 4 zu beschleunigen, übernahm Daimler Truck im September 2019 Torc Robotics, ein amerikanisches Unternehmen, das auf autonome Technologien für Landfahrzeuge spezialisiert ist.
Daimler Truck glaubt nicht an die volle Automatisierung. Das ist zumindest nicht die Richtung, die wir einschlagen.
„Es wird immer ein Fahrer in der Kabine sein"
Olivier Amélineau, Press and Media Relations Manager, Mercedes-Benz Trucks France (Daimler Truck-Gruppe)
François Combes (FC): Ich denke, dass autonome Lkw erst dann erhebliche finanzielle Vorteile bringen, wenn wir die Stufe 5, das heißt die volle Automatisierung, erreichen. Dies bedeutet Lkw ohne Fahrer und daher ohne Kabine, wodurch die Nutzlast erhöht werden kann.
Ich glaube nicht, dass teilautomatisierte Lkw sehr profitabel sein werden. Was uns wirklich interessiert - und das mag etwas zynisch klingen - ist ein vollautonomer Lkw, bei dem kein Fahrer mehr erforderlich ist.
Vollautonome Lkw bieten drei Vorteile:
- das Fahrergehalt fällt weg
- alle Belange des Personalmanagements fallen weg
- Und es ist einfacher, einen Lkw für 16 Stunden non-stop einzusetzen, ohne die Bedürfnisse eines Fahrers berücksichtigen zu müssen.
Welche Auswirkungen werden autonome Lkw auf die Umwelt haben?
OA: Das klar erklärte Ziel autonomer Lkw ist eine möglichst geringe Umweltbelastung bei bestmöglichen Leistung!
Bei Daimler Truck sollen automatisierte Modelle das Fahrerleben erleichtern, die Sicherheit erhöhen und den Kraftstoffverbrauch durch umweltschonendes Fahren (‚Eco-Driving‘) reduzieren. Und das ist unglaublich effektiv!
Systeme wie das Predictive Powertrain Control (PPC), das mithilfe von GPS-Daten, 3-D-Straßenkarten und genauer Kenntnis des Fahrzeugs die Steuerung von Tempomat, Getriebe und Motor optimiert, ermöglichen Kraftstoffeinsparungen von fünf bis sieben Prozent.
FC: Mittelfristig wird die Einführung teil- oder vollautomatisierter Fahrzeuge das derzeitige ökonomische Gleichgewicht mit Wahrscheinlichkeit tiefgreifend verändern, sowohl auf der Angebotsseite (Spediteure) als auch auf der Nachfrageseite (Kunden).
Eine Vollautomatisierung könnte zu einer weitreichenden Neuorganisation des Lkw-Frachtverkehrs und der Logistikketten führen. Dabei hängen die Umweltauswirkungen von der Motorenart der autonomen Lkw und den (mit hoher Wahrscheinlichkeit erheblichen) Auswirkungen eines erhöhten Verkehrsaufkommens ab.
Ein Szenario mit Vollautomatisierung könnte in einer größeren Zahl von kleineren Lkw auf der Straße resultieren.
Werden autonome Lkw soziale Auswirkungen haben?
OA: Aus der Sicht von Daimler Truck werden die Fahrer nicht verschwinden. Doch ihre Rolle wird sich wahrscheinlich insofern verändern, dass sie eher technologischer und weniger körperlicher Natur sein wird oder sich mehr auf die Kundenbeziehungen konzentriert. Die Fahrer werden stärker in die Kontrolle und Überwachung des Fahrzeugs eingebunden sein. Sie werden auch die Fahrzeugdaten analysieren müssen. Durch diese Veränderungen könnte der Fahrerberuf künftig attraktiver werden, insbesondere für technisch versierte junge Leute. Daher wird es positive soziale Auswirkungen haben!
FC: Bei vollautonomen Lkw wird es durch den Verlust von tausenden von Fahrer-Jobs zwangsläufig negative Auswirkungen mit sich bringen.
Das wird Kosten einsparen, aber nicht für jeden. Die durch die Automatisierung gewonnenen Einsparungen könnten durch den höheren Preis für autonome Fahrzeuge verschlungen werden.
„Ein flächendeckender Umstieg auf autonome Lkw wird negative soziale und ökologische Folgen haben.“ François Combes, Forscher und Ökonom für Transport- und Logistik an der Université Gustave Eiffel. Er ist Verfasser einer im Jahr 2019 veröffentlichten Studie über autonome Lkw.(3)
Und was halten Sie von autonomen Lkw?
Europäische Vorschriften müssten schnell angepasst werden, um die Zulassung dieser Fahrzeuge auf europäischer Ebene zu vereinheitlichen.
(1) Strategy & Study - PwC
(2) International Transport Forum
(3)“Le véhicule autonome va-t-il transformer en profondeur le transport de marchandise?” („Wird das autonome Fahrzeug den Frachtverkehr tiefgreifend verändern?“) 2019.
* https://ec.europa.eu/commission/presscorner/detail/de/IP_22_4312
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